Menschenhandel zur Ausbeutung der Arbeitskraft beinhaltet, dass jemand die Notlage, die Hilflosigkeit oder auch die fehlenden Sprachkenntnisse von Arbeitnehmer*innen ausnutzt oder sie zwingt, eine Tätigkeit auszuführen, durch die sie ausgebeutet werden. Die Betroffenen werden in ihrer Handlungsfähigkeit so weit eingeschränkt, dass sie nicht mehr frei über ihre Arbeitskraft verfügen können. Sie werden nicht oder nicht angemessen entlohnt und müssen unter schlechten oder sogar gefährlichen Bedingungen arbeiten.
Strafrechtlich ist diese Form des Menschenhandels unter § 232 StGB (Menschenhandel), § 232b StGB (Zwangsarbeit), §233 StGB (Ausbeutung der Arbeitskraft) und §233 a StGB (Ausbeutung der Arbeitskraft unter Ausnutzung einer Freiheitsberaubung) geregelt. Die Übergänge zwischen den verschiedenen Formen sind häufig fließend.
Vereinfacht kann Menschenhandel zum Zweck der Arbeitsausbeutung in drei Handlungen aufgeteilt werden:
- Anwerbung (Menschenhandel)
- Veranlassen der ausbeuterischen Tätigkeit (Zwangsarbeit)
- Ausbeutung (Ausbeutung der Arbeitskraft durch zu geringe Bezahlung, gefährliche Arbeitsbedingungen, Vorenthalten des Lohnes)
Anwerbung, Transport und Ausbeutung der Betroffenen erfolgen ähnlich wie beim Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung, und beide Ausbeutungsformen können auch parallel oder nacheinander stattfinden. Die Menschenhändler*innen nutzen materielle Notlagen, sowie die psychische oder soziale Vulnerabilität ihrer Opfer aus. Die Betroffenen werden mit falschen Versprechungen auf lukrative Arbeit davon überzeugt, das Risiko einzugehen, im Ausland zu arbeiten. Die Menschenhändler*innen präsentieren sich unter Umständen als erfolgreiche Unternehmer*innen oder mächtige Vermittler*innen. Sie legen oft Arbeitsverträge mit fiktiven Unternehmen vor. Die Verträge täuschen häufig falsche Tatsachen vor, z.B. dass die Betroffenen krankenversichert wären oder es wird eine viel kürzere Arbeitszeit angegeben, als zu leisten ist.
Schuldknechtschaft ist keine seltene Praxis. In solchen Fällen werden die Betroffene nicht gebeten, Vermittlung, Transport, Verpflegung und/ oder Unterkunft im Voraus zu bezahlen, sondern erst, nachdem sie ihr erstes Gehalt erhalten haben. Zu dem Zeitpunkt, an dem sie den Lohn erhalten sollten, werden ihre angeblichen Schulden so hoch beziffert, dass sie von ihnen nicht abgezahlt werden können. Oftmals werden die Betroffenen auch um ihre Bezahlung betrogen oder vertröstet oder sie erhalten nur Teilzahlungen. Für die Unterbringung in miserablen, nicht selten gesundheitsgefährdenden Räumlichkeiten werden hohe Mieten in Rechnung gestellt, wie auch für die Versorgung durch die Arbeitgeber*innen. Im Laufe der Monate wachsen die Schulden rasch, sind für die Betroffenen undurchsichtig und nicht kontrollierbar und erreichen nicht selten exorbitant hohe Beträge.
Arbeitsausbeutung kann alle Geschlechter betreffen. Während Männer meist in der Landwirtschaft, in Fabriken, in Schlachthöfen, im Speditionsgewerbe oder auf Baustellen tätig sind, werden Frauen häufig in der Landwirtschaft, im Tourismus (Hotels und Pensionen), von Reinigungsbetrieben, in der häuslichen Altenpflege mit 24- Stunden- Betreuung, in der Gastronomie (Restaurants und Fast Food) sowie in Haushalten von Familien (häufig in diplomatischen Haushalten) ausgebeutet.
Die Arbeitsbedingungen sind hart – überlange Arbeitszeiten, oft körperlich sehr anstrengende Arbeit, fehlender Gesundheitsschutz, zu wenig Ruhezeit und Pausen, wenig und kontrollierte Freizeit, erheblich geringere Löhne als marktüblich oder gar keine Entlohnung sind typische Merkmale der Ausbeutungssituation. In vielen Fällen besteht in Deutschland kein Schutz durch eine Krankenversicherung oder Unfallversicherung, und es wird von den Arbeitgebern keine Sozialversicherung gezahlt.
Neben der körperlichen Erschöpfung belasten die scheinbare Ausweglosigkeit, das Gefühl der Hilflosigkeit und die Enttäuschung, die zu Hause gebliebene Familie nicht unterstützen zu können. Die Situation wird von den Betroffenen als traumatisch erfahren. Ein Ausbruch aus der Ausbeutungskette ist für die Betroffenen fast unmöglich. Einerseits führen bspw. das niedrige Bildungsniveau und die fehlenden Sprachkenntnisse zu Kommunikationsbarrieren. Andererseits können die Bedrohungen, die von den Menschenhändler*innen und deren Netzwerken ausgehen, in Zusammenhang mit weiteren manipulativen Mitteln komplexe Abhängigkeitsverhältnisse erzeugen.